Im Keller der Stuttgarter Geschichte

Seit ein paar Wochen sieht man es: Stuttgart bekommt ein Museum zur Stadtgeschichte. Dort wo bis vor kurzem noch die Stadtbibliothek beheimatet war tummeln sich nun Bagger und Kräne in der historischen Bausubstanz. Dem Wilhelmsbau.

Tatsächlich hat Stuttgart bisher noch kein eigenes Museum über die Stadt. Lediglich Bad Cannstatt hat sich bisher intensiv über ihre Geschichte im „Klösterle“ gekümmert.
Lange wurde diskutiert und ausgesessen bis endlich im Herbst 2007 der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss für das Stadtmuseum fasste.
Seit 2007 wird also nun daran gearbeitet. Zuerst mussten Stellen für einen Planungsstab geschaffen werden. Dieser Zog in ein Teil des historischen Tagblatt-Turmes ein. Von einem Konzept geschweige denn von einer passenden Örtlichkeit für das Museum war man noch meilenweit entfernt. Trotzdem wurden ziemlich früh erste Ideen und Sammlungen umgesetzt.

Unter dem Motto „Stuttgarter leben – Stuttgart erleben“ (2008–09) wurden Stuttgarter Bürger zu ihrem Stuttgart befragt. Da ich 2009 fest nach Stuttgart gezogen bin war dies der erste Berührungspunkt mit dem Stadtmuseum Stuttgart. Damals machte ich bei diesem Projekt mit und beschrieb wie ich mein Stuttgart (damals) sah. Die Ergebnisse wurden auf Plakate gedruckt und in Stuttgart plakatiert. So konnte man auch meine Sicht der Dinge, beschränkt auf wenige Stichpunkte damals an diversen Stellen in der Stadt lesen:

Ziemlich grüner Fleck und klein und irgendwie im Loch.
André D. über sein Stuttgart

Dem Projekt schloß sich noch eine Ausstellung zum Thema im Hegelhaus an.
Danach verlor ich aber das Thema Stadtmuseum Stuttgart wieder etwas aus dem Auge.

Erst während der Hochphase des Stuttgart21 Widerstandes hatte ich wieder Kontakt mit dem Planungsstab. Zum einen wollten die damals mein Mobiltelefon mit dem ich den Widerstand auf das noch relativ frische Medium twitter brachte und zum anderen hat der Planungsstab während der Schlichtung und dem drohenden Abriss des Südflügels auf meine Bitte hin die Keller etc. auf interessante Gegenstände aus der Zeit der BaLi, der Bahnhofslichtspiele die dort früher deponiert gewesen waren. Leider kamen sie aber zu spät und etliche Kinoplakate etc. sind in Schuttcontainern abtransportiert worden.
Mittlerweile war auch das Leitbild/Konzept des Stadtmuseum Stuttgart erstellt und auch der passende Ort, das frei werdende Wilhelmspalais bot genau die richtige Größe und auch die Lage neben Staatsarchiv und Staatsgalerie ist nahezu perfekt.

Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht.
Salman Rushdie (*1947), engl. Schriftsteller

Im Sommer 2010 zog das Stadtmuseums-Archiv nach Bad Cannstatt. Eigentlich ist das so aber auch nicht richtig. Denn bis dahin gab es ein solches Archiv direkt eigentlich gar nicht.

Das Stadtarchiv selbst hat relativ wenig historische Gegenstände gesammelt. Das liegt vermutlich daran, dass Archivare ihr Herz dem Gedruckten verschrieben haben, aber mit anderen Gegenständen nicht so viel anfangen können. Solche Sachen lassen sich eben schwer abheften oder binden.

Da mich die Geschichte Stuttgarts und eben auch das werdende Stadtmuseum Stuttgart schon immer interessierten war es vor ein paar Wochen endlich mal an der Zeit selbst das Depot zu besichtigen.
Mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Markus Speidel, der für das Ausstellungskonzept und den Umbau des Wilhelmspalais verantwortlich ist, pflege ich schon längere Zeit einen freundschaftlichen Kontakt via twitter und hin und wieder auch persönlich auf manch Veranstaltungen.

So ging es dann in die heiligen Hallen des Stadtmuseum Stuttgart.

Im Erdgeschoss geht es noch wenig spektakulär zu. Hier kommen neue Gegenstände an und müssen erst einmal gereinigt werden. So versucht man ungeliebtes Getier etc. nicht in das Archiv einzuschleppen.
Auch werden dort die eingehenden Gegenstände digitalisiert und inventarisiert. Das alles findet derzeit in einem relativ kleinem Raum statt. Dies soll sich aber bald ändern.

Bewaffnet mit Handschuhen geht’s dann mit dem Aufzug in die beiden unterirdischen Archivstockwerke. Die Tür geht auf und ich steh mitten in der Geschichte Stuttgarts. Ein ganz besonderes Gefühl überkommt einem da. Plötzlich wird ein Teil der Geschichte der Stadt die man aus dem hier und heute kennt wieder wach. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt es würde modrig riechen in so einem Archiv. Natürlich ist das Quatsch. Schließlich sind alle beiden Stockwerke klimatisiert.
Ich stellte mir so ein Archiv chronologisch geordnet vor. Doch hier unten wurde ich vom Gegenteil überrascht. Es steht eigentlich alles aus den verschiedensten Epochen kreuz und quer beisammen. Das hat aber einen rein praktischen Grund. Da die Gegenstände ja lange erhalten bleiben sollen muß man ihnen das optimale Klima bieten. So wird eben nicht nach Themen, sondern ganz praktisch nach Materialien gesammelt. Also in die groben Kategorien Holz, Stein, Stoff, Eisen und Papier.

Wie schon erwähnt sind von städtischer Seite nicht viel Archivarien in das Depot gekommen. Besonders schlecht ist die Sammlung vor dem 18 Jahrhundert. Etwas besser steht es da um das 19. und 20. Jahrhundert. Probleme macht dem Stadtmuseum Stuttgart oftmals die schlechte oder gar fehlende Kennzeichnung bzw. Zuordnung des Gegenstandes. Entweder man hatte einfach nichts dazu aufgeschrieben, nur einen Zettel dazugelegt oder ging davon aus das man ja wisse um was es sich handeln würde. Doch nach mehreren Jahrzehnten verschwinden Gegenstände aus unserem Alltag und wir wissen nicht mehr für was es mal gebraucht wurde. Wenn das Statdtmuseum Stuttgart über solche Fälle stolpert hilft nur eins Recherche. Ab und an wird hierbei auch über die Webseite um aktive Mithilfe gebeten und hin und wieder wird so auch schnell eine Lösung gefunden. So zum Beispiel ein Ding das sich schnell als Zigarrenschneider herausstellte.

Das Archiv wird kontinuierlich mit Gegenständen aus der aktuellen Zeit ergänzt. Große Themen unserer Zeit sind dabei unter anderem die Olympiabewerbung, das Pro und Contra rund um Stuttgart21 sowie das Thema Flüchtlinge anhand eines komplett ausgestatteten Flüchtlingscontainers.

Das Stadtmuseum Stuttgart legt in der Sammlung das Hauptaugenmerk auf das städtische Leben in Stuttgart. Das Thema Residenz- bzw. Landeshauptstadt sammelt das Haus der Geschichte bzw. die Landesmuseen.

Meine Sammlungslieblinge habe ich glaube auch schon gefunden. Eine riesige Sammlung von Kodak Fotoapparaten, der goldene Bär der vor dem ersten Gewerkschaftshaus im Bohnenviertel gestanden haben soll, sowie das bekannte Blyle Matrosenkostüm. Dies konnte übrigens „mitwachsen“. Man konnte vor Ort beim Blyle die Ärmel und Länge des Matrosenanzuges verlängern lassen wenn der Bub rausgewachsen war.

Alles in Allem trotzdem eine interessante und teils spannende Sammlung die dort zusammengetragen wurde. Das Museumskonzept sieht zwei Sonderausstellungen pro Jahr vor. Damit wird von Beginn an sichergestellt das es kein Museum wird das man nur einmal gesehen haben muß. Es wird immer wieder neue Aspekte der Stuttgarter Geschichte vorgestellt.

Ich glaube bis zur Museumseröffnung 2017 ist noch viel zu tun, aber die Macher sind absolut motiviert und bringen das auch so rüber. Das dies ein völlig neues Museum wird sieht man schon heute an diversen Stellen. So wird heute schon immer mal wieder an diversen Locations Sonderausstellungen organisiert. Die ganze Entstehungsgeschichte kann man im Hauseigenen Blog mitverfolgen. Wer noch aktueller dabei sein möchte kann den Machern via twitter, facebook und instagram folgen und auch interagieren.

Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf ein lebendiges Museum und wünsch den Machern auch weiterhin noch so viel spaß an der Sache wie bisher!

Das Blog des Stadtmuseum Stuttgart

In diesem Sinne:
Adele

2 Gedanken zu „Im Keller der Stuttgarter Geschichte

  1. Pingback: Ein Blogger im Depot | blog Stadtmuseum Stuttgart

  2. Pingback: Stadtmuseum: „mein Stuttgart 2014“ | Andrés Blögle

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