Ein Mobiltelefon, das nicht auf höchsten Profit und minimalste Lebenszeit hin konzipiert ist gibts nicht?
Ein junges Team in den Niederlanden ist angetreten um zu zeigen das das Gegenteil möglich ist.
Alles begann vor über drei Jahren, als sich ein kleiner Haufen junger Menschen das Ziel gesetzt hatten die Handy-Welt etwas besser zu machen. Ich hatte damals schon einmal darüber gelesen, es aber wieder aus den Augen verloren. Nachdem die Kampagne zweieinhalb Jahre erfolgreich verlief, wurde im Januar 2013 das soziale Unternehmen Fairphone gegründet.
Campaign Video http://youtu.be/hIR3VW5DQ_o
Um das Projekt in die Tat umzusetzen brauchte das Team von Fairphone Startkapital. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Crowdfunding hieß die Antwort. 5000 bezahlte Vorbestellungen waren nötig um in die tatsächliche Planung sowie schlußendlich in die Produktion zu starten (Fairphone Cost Breakdown). Der Zeitraum in der die 5000 Vorbestellungen zusammen kommen mußten war von Mai – Ende Juni 2013. Schon am 5.Juni 2013 wurde die Zahl erreicht.
Ich hatte das Fairphone am 23. Mai bestellt und bekam die Pre-Order Nr. 03414.
Nun konnte es also los gehen.
Während die Planungen, Zulieferersuche etc. nahm die Zahl der Bestellungen weiter rassant zu. Als dann auch noch der Mobilfunkprovider KPN 1000 Fairphones bestellte entschloss man sich für die erste Charge eine Stückzahl von 25.000 Fairphones zu produzieren.
Man kann sich vorstellen das es nicht leicht für das Fairphne-Team war ihr Vorhaben zu verwirklichen. Schließlich macht man sich mit solch einem Vorhaben bei den großen Mobiltelefonherstellern eher keine Freunde. Zeigt man doch ziemlich direkt mit erhobenen Zeigefinger auf selbige.
Nach langer Suche konnte dann A’Hong als Hersteller gefunden werden, der das Fairphone in dieser kleinen Stückzahl produzieren würde. Als Hilfreich erwies sich das auch von diesem Hersteller ein Mobiltelephonelayout als Basis für das Fairphone herangezogen werden konnte Was die kosten erheblich senkte. Für die Anpassung der Android-Software konnte der Softwarehersteller Kwamecorp gewonnen werden.
Das lange Warten:
Zum Beginn der Crowdfunding Phase wurde ein ungefährer Zeitplan zur Planung, Produktion und Versand des Fairphone vorgestellt. Da wurde zuerst einmal Ende SOmmer genannt. Dies hat sich schnell auf Oktober konkretisiert. Logisch, denn beim ersten mal eine solche Marathonaufgabe durchzuplanen ist extrem schwierig. Es gab ja noch keine Erfahrungen. So hatten die Fairphone-Macher immer mit neuen Steinchen zu kämpfen die Ihnen in den Weg gelegt wurden. Da gab es Probleme mit der Bürokratie bei den Zertifizierungen, beim verzollen etc. Es kam zu Missverständnissen was zum Beispiel in einem anderen Chipsatz mit etwas schwächeren Spezifikationen als angekündigt endete. In der Endphase der Produktionskette kam es dann zu Problemen mit der Qualität des Rückseitigen Deckels des Mobiltelefones. Diese mußten teilweise nochmals nachproduziert werden.
Zwischenzeitlich wurde der Liefertermin dann auf kurz vor Weihnachten angekündigt.
Tatsächlich kame dann auch die ersten 1000 Fairphones pünktlich zu Weihnachten unter die Christbäume. Meines leider noch nicht.
Ich hatte, wie einige anderen auch, zum Fairphone noch gleich die passende Schutzhülle mitbestellt. Da es auch hier zu unerwarteten Lieferverzögerungen kam, mußten Fairphone-Besteller mit Schutzhülle noch etwas länger warten.
Als ob wir nicht schon genug auf die Folter gespannt wuren kam es dann auch noch zu Problemen mit dem beauftragten Spediteur. GLS verzögerte den Versand ins Ausland auch nochmals um einige Tage. Dazu kamen noch die Feier- und Urlaubstage in der gesamten Kette.
Diese Woche war es dann endlich soweit! Es gab den lang ersehnten Tracking-Code von GLS. Das Problem: Anfang der Woche war das Fairphone dann in Stuttgart und ich? Ich war in Berlin. Zum Glück hat ein Nachbar die Lieferung angenommen und so kann ich nun das Fairphone in der Hand halten und sagen: #WeAreFairphone
Wie fair ist es geworden?
Wer sich jetzt ein Mobiltelefon aus recycletem Pappkarton, mit Dynamo zum kurbeln oder so vorgestellt hat, wird natürlich enttäuscht sein.
Das angestrebte Ziel war hoch gesteckt und alles was sich das Fairphone-Team vorgenommen hatte ließ sich einfach nicht, oder noch ncht, umsetzen. Ein Problem dabei war sicherlich die geringe Stückzahl. Die machten es natürlich überall schwer etwas außerhalb der Norm zu bekommen. Jedenfalls für einen finanzierbaren Preis.
So ist das Fairphone ungefähr so fair wie beispielsweise ein Auto wirklich Öko sein kann. Beides geht eben nur in einem bestimmten Mase. Aber irgendwo muß man einfach anfangen wenn man die Welt ein Stückchen verbessern möchte.
Das Fairphone mit komplett sogenannten „konfliktfreien“ Komponenten herzustellen ist nicht möglich gewesen. Was man machen konnte wurde umgesetzt. Mineralien, vor allem Coltan, aus denen die Schaltkreise eines Mobiltelefons hergestellt werden, wurden aus Minen bezogen, von denen nachweislich kein Bürgerkrieg finanziert wird.
Desweiteren wurde versucht durch kooperationen und soziale Projekte die Herstellung des Fairphone etwas faierer zu machen.
Weitere 3 Eur pro Fairphone gehen in ein Projekt das sogenannten „e-waste“ aus Ghana nach Europa zurück bringt (“Lasting Value”) und ihn dort recycelt statt auf einer Müllkippe zu landen. Für jedes Fairphone das also verkauft wird und somit in das „System“ gelangt werden im Gegenzug durchschnittlich drei alte Mobiltelefone so aus dem „System“ herausgenommen. Bei 25000 Fairphones mal drei ergibt das 75000 Telefone die nicht auf der Müllkippe enden, sondern recycelt werden!
http://www.fairphone.com/2013/11/21/taking-back-phones-for-a-circular-economy-e-waste-in-ghana/
Insgesammt liegen die Zusatzausgaben für nachhaltige und verantwortungsvolle Produktion laut den Berechnungen bei lediglich 22 Euro pro Fairphone. Darin enthalten sind die Extra-Kosten für nachhaltige Materialien, Programme für die Mitarbeiter, Open-Source Entwicklungskosten und Recycling. An dieser Stelle darf man durchaus kurz stutzig werden:
Lediglich 22 Euro machen also offensichtlich den Unterschied zwischen möglichst fairen Arbeitsbedingungen beziehungsweise einer weitgehend nachhaltigen Produktion und den auf Gewinnmaximierung ausgelegten regulären Herstellungsprozessen.
Auch bei der Verpackung wurde darauf geachtet wirklich nur das Nötigste zu gebrauchen. So wurde auf große, optisch auffällige Umverpackungen bewußt verzichtet. Ebenso wurde auf unnutzen Elektroschrott verzichtet. So war bei der Bestellung das Ladekabel nicht automatisch dabei, sondern konnte lediglich als Option dazu bestellt werden. Das Fairphone nutzt das gängige Mini-USB Ladekabel.
Die Seite „Faire Computer“ hat einen guten und kritischen Artikel zum Fairphone veröffentlicht: Fairphone: Zu viel versprochen. Eine Bilanz
Mein Fazit:
Die Macher des Fairphone haben ein tolles Produkt auf die Beine gestellt.
Zu jeder Zeit gabs von den Fairphone-Machern transparente Informationen an die Crowdfunder.
Klar lief beim ersten mal noch nicht alles rund. Auch hier lernt man aus Fehlern und Problemen.
Verbesserungen werden sicherlich schon in der zweiten Charge zu erwarten sein.
Manche finden das Fairphone zu teuer für das was es kann und auch zu schwer. Sicher, es ist kein Mobiltelefon das in der Oberliega mitspielt. Dazu ist es auch nie angetreten. Es ist ein klasse Mittelklasse-Mobiltelefon geworden. Wer nur auf einen niedrigen Preis und/oder auf eine hohe Leistung aus ist sollte sich ein herkömmliches Mobiltelefon anschaffen. Ich finde den Preis für die Idee und für das Ergebnis absolut fair!
Zum Gewicht und Dicke des Mobiltelefons muß man sagen es geht klar leichter und flacher. Hier wurden eben nicht spezielle platzsparende Klebeverfahren verwendet die das Glas direkt auf den Bildschirm setzt, sondern vorrangig war im Falle von Defekten die einzelnen Komponenten möglichst problemlos tauschen zu können. Auch so hält man das Mobiltelefon vielleicht etwas länger im Lebenszyklus.
Ich würde jederzeit wieder ein Fairphone kaufen da ich voll hinter der Idee stehe.