Stuttgart ist da, wo shopping vor dem Grundgesetz steht

Gestern und heute konnte man in der Presse „Verlegung der Stuttgart-21-Montagsdemo ist rechtmäßig“ lesen.
Egal wie man zu dem Thema steht, eines sollte jedem zu denken geben: Was ist unser Grundgesetz heute überhaupt noch wert?!

MontagsdemoObwohl (oder gerade weil) Stuttgart und das Land mittlerweile von den sogenannten GRÜNE geführt wird und auch nach einer längst hinfälligen Volksabstimmung gegen die Finanzierung von Stuttgart 21 ist diesen und anderen Herrschaften der Protest gegen das Milliardengrab ein Dorn im Auge.
Man möchte nun in Ruhe regieren und nicht immer an seine Herkunft und Vergangenheit erinnert werden.

In diesem Sinne machen sich sowohl GRÜNE als auch CDU und SPD immer mehr zum Risikofaktor für Stuttgart, ja für Baden-Württemberg und auch für das gesamte Deutschland

Die Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland hatten eine große Aufgabe vor sich als sie der Zukunft des Landes eine „Geschäftsordnung“ versuchten zu geben. Vieles mußte bedacht werden und an erster Stelle war immer der Gedanke, daß sich die Geschichte so nicht wiederholen dürfte.
So kam es zu einem Grundgesetz für das wir weltweit (noch) beneidet werden. Aber je länger es uns schon gut geht, also keine Kriege etc. im Land herrschen, desto vergesslicher werden wir was für ein hohes Gut dieses Grundgesetz eigentlich ist.

Schon 2010 versuchte die Stadt (damals unter CDU Führung) die Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 am Ort des Geschehens, vor dem Hauptbahnhof, zu unterbinden. Nur weil sich der Wiederstand damals schon nicht so einfach unterdrücken lies kam es zum höchst richterlichen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim (VGH Mannheim Az: 1 S 2493/10) indem der Stadt Stuttgart klar gemacht wurde, daß das Demonstrationsrecht höher wiege als etwaige Verkehrsbehinderungen.

Nun, drei Jahre später, befinden wir uns im Wahlkampf zu den Gemeinderatswahlen 2014. Lang ist der Richterspruch her, die Montagsdemonstrationen finden immernoch ununterbrochen statt und obwohl die Stadt mittlerweile unter einem Oberbürgermeister der GRÜNE geführt wird, stört sich diese weiterhin am anhaltenden Protest gegen das Milliardengrab Stuttgart 21.

So ist es nicht verwunderlich, daß Ende November der Ordnungsbürgermeister Schairer (CDU) über die Presse verheißen lies, das die Montagsdemonstrationen vor dem Bahnhof (gerade in der Vorweihnachtszeit) nur noch lästig seien.
Begründet wird dies wieder wie 2010 mit erheblichen Verkehrsproblemen und grandiosen einbußen beim Einzelhandel durch diese Montagsdemonstration vor dem Bahnhof.

Außer Acht gelassen werden da, wie immer wenn es um Stuttgart 21 geht, die einfachsten Fakten. Zum einen erstickt die Satdt Stuttgart jedes Jahr von selbst immer mehr im Stau und wird dadurch auch immer unattraktiver für Besucher, zum anderen wird durch Studien wie z.B. die des Navigationsherstellers TomTom genau das Gegenteil belegt. In seinen Studien z.B. kann mann für Stuttgart genau herauslesen daß lustigerweise der Montag Abend die stauärmste Zeit der Woche in Stuttgart ist. Uuups, genau also in jenem Zeitraum an dem die Montagsdemonstration angeblich immer eine extreme Verkehrsbehinderung darstellen soll.
Komisch, komisch…

Es wird noch komischer.
Nachdem der Wiederstand gegen dieses Demoverbot also Einspruch erhob, bekam er dieses mal sogar vom Stuttgarter Verwaltungsgericht recht gesprochen. Die Montagsdemonstartion darf natürlich vor dem Bahnhof statt finden.

Nein, das war es noch nicht. Es wird leider noch viel komischer.
Nun, nach einem Rechtsspruch für das Grundgesetz, geht die Stadt Stuttgart gegen diesen Richterspruch in die nächst höhere Instanz. Wir erinnern uns: Die Führung der Stadt ist von den GRÜNE.

Jetzt kommen wir vom komischen ins äußerst bedenkliche.
Der VGH Mannheim hat nun den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und verbietet die Montagsdemonstration vor dem Hauptbahnhof.
Ein erschreckendes Urteil aus zweierlei Gründen:
Zum einen hatte der VGH Mannheim ja 2010 bei fast selben Sachverhallt festgestellt daß das Recht auf Demonstration höher sei als Verkehrsbehinderungen, und zum anderen ist seine jetztige Begründung eine Bankrotterklärung für die Grundrechte in unserem Rechtsstaat.
Für diese Begründung wird angebracht, daß durch die Montagsdemonstration jeweils ca. 8.300 (angenommene) Verkehrsteilnehmer betroffen seien. Dagegen stünden die lediglich durchschnittlich 1.500 (3000 nach Zählungen) Demonstrationsteilnehmer.

Der VGH Mannheim stellt damit den Verkehr vor die Grundrechte!

Was so ein Rechtsspruch für die Zukunft bedeutet kann sich jeder selbst vorstellen: Demonstrieren gern, aber bitte im stillen Kämmerlein wo man niemand damit nervt. So sieht Demokratie 2013 aus! in Deutschland wohl gemerkt, nicht irgendwo in einem autoritärem Staat!

Hier komme ich wieder auf die Gründerväter Deutschlands zurück.

Im Grundgesetz der BRD ist das Demonstrationsrecht durch die in engem Zusammenhang mit der Handlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und dem Petitionsrecht (Art. 2, 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 17) stehende Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1) garantiert. Zudem wird das Demonstrationsrecht als ein Instrument zur Herstellung unmittelbarer, demokratischer Öffentlichkeit auch durch das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 geschützt.

„Herstellung unmittelbarer, demokratischer Öffentlichkeit“, dies geht nur wenn man an Orten seinen Unmut kund tut, an denen man auch wahrgenommen wird. Dies ist in der Regel natürlich dort wo auch Öffentlichkeit statt findet. Also zum Beispiel am Ort des Anstoßes, also des Bahnhofes.

„Wegen der überragenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit ist bei jedem Eingriff der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz streng anzuwenden. So ist selbst das Fehlen der im Versammlungsgesetz geforderten Anmeldung bei spontan organisierten Versammlungen kein Auflösungsgrund.
Vom Bundesverfassungsgericht wird den staatlichen Behörden ausdrücklich ein versammlungsfreundliches Verhalten aufgegeben.“ (bpb)

Scheinbar zählt dies aber längst nicht mehr. Es ist wichtiger das die Räder rollen und der Bürger ungestört dem Konsum erliegen kann. Ein Grundgesetz ist da eher hinderlich.

Und nun?

Tja, nun muß man sich wohl spontan an eben solchen Plätzen zu Demonstrationen zusammen tun. Immer und immer wieder. Es kann nicht sein, daß ungestörter Konsum und Verkehr vor dem höchsten Gut, dem Grundgesetz geht.
Jeder muß aufstehen und sich für seine Grundrechte einsetzen!

Allen voran übrigens die Gewerkschaften!
Ja, nicht die Parteien, hier ist nicht viel zu erwarten.
In den Statuten der CDU ist beispielsweise nicht ein einziges mal das Wort „Demokratie“ zu finden. – Sagt eigentlich schon alles, oder?!

Bei den Gewerkschaft sieht das erheblich anders aus. Nahezu bei allen großen Gewerkschaften steht sinngemäß das sich die Gewerkschaft für den Schutz und Erhalt der Demokratie einsetzen.
Bei der IG Metall sieht das dann so aus:

§ 2 Aufgaben und Ziele der IG Metall (Auszug)
Die IG Metall hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen der Mitglieder zu fördern. Ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen, Verwaltungen, Unternehmern, Konfessionen und politischen Parteien hat sie jederzeit zu wahren. Sie bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und setzt sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt zur Sicherung der Existenz der Menschheit ein. Sie fördert aktiv die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Betrieb und Gewerkschaft, unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität. Die IG Metall wahrt und verteidigt die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie die demokratischen Grundrechte. Die Verteidigung dieser Rechte und der Unabhängigkeit sowie Existenz der Gewerkschaften erfolgt notfalls durch Aufforderung des Vorstandes an die Mitglieder, zu diesem Zweck die Arbeit niederzulegen (Widerstandsrecht gemäß Artikel 20 Absatz 4 GG).

In diesem Sinne: „Oben bleiben“

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Update, 16.12.13 20:00
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Heute begann pünktlich um 18 Uhr die Montagsdemo am neu zugewiesenen Platz in der Lautenschlager Straße.
Dank dem äußerst bedenklichen Entscheid des VGH Mannheim nahmen an der 202. Montagsdemo dann auch wieder mehrere tausend Menschen teil.

Allerdings dauerte es nicht lange, bis sich die Teilnehmer in einer spontanen Demonstration ihr Recht auf Versammlumgsfreiheit zurück eroberten und den Arnulf-Klett-Platz bevölkerten und ihrenUnmut lauthals äußerten.

Herr Ordnungsbürgermeister Schairer, wir lassen uns nicht zu Gunsten des Konsumes und Verkehres in eine Nebenstraßen zwängen!

Entsprechend zogen die Montagsteilnehmer dann wie angekündigt mit ihrem Demonstrationszug weiter.
Später teilte sich der Aufzug. Teile liefen über Die Königstraße und andere über den Weihnachtsmarkt.

DAS ist gelebte Demokratie!!!

Schwäbische Zeitung
Stuttgarter Zeitung

5 Gedanken zu „Stuttgart ist da, wo shopping vor dem Grundgesetz steht

  1. Gänseliesel

    Vom Komischen ins äußerst Bedenkliche … ich würde es gerne steigern können. Mir fallen aber nur Bankrott oder Duckmäusertum ein, wenn ich zur Kenntnis nehme, dass man sich von Seiten des sogenannten Widerstandes dieses Urteil bieten lässt. Pressseerklärungen dazu? Fehlanzeige. Verfassungsgerichtsbeschwerde? Fehlanzeige. Adventskalender für OB Kuhn ist die aktuelle Aktivität – eben, es geht um Kommunalwahl, sonst nix mehr. Es scheint, als ob die Verantwortlichen ganz froh sind, ihre längst geplante Verlegung der Montagsdemos nun quasi verordnet bekommen zu haben. Man überlässt es also dem eh schon eingeschüchterten Publikum, mit den Füßen abzustimmen; um denen, die mutig genug dazu sind, dann wieder von der Bühne aus in den Rücken zu fallen.
    Und damit habe ich dann doch die gesuchte Steigerung gefunden … ins Hinterhältige.

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  2. Selberdenken

    Und das Allerkomischste und Allerbedenklichste ist, dass der Verfasser des Blogbeitrags wohl nur Überschriften liest, bevor er seine Kommentare abgibt. Deshalb folgende Richtigstellungen:

    1. Die Tomtom-Studie umfasst nicht nur die Innenstadt sondern einen viel größeren Bereich (Angaben von Tomtom zum betrachteten Bereich: „Total network length 758 km, Total network length highways 151 km, Total network length non-highways 608 km“), da lässt sich aus der Untersuchung überhaupt nichts für die ca. 10 km vom Montagsdemostau betroffenen Straßen (ca. 1,3% des Untersuchungsraumes) schließen.

    2. Die Stadt Stuttgart hat kein Demoverbot ausgesprochen, wie es im Blog oben fälschlich steht, sondern lediglich für die Demonstration einen anderen Ort verfügt.

    3. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine Verfügung der Stadt zur Verlegung der Montagsdemonstration vom Arnulf-Klett-Platz nicht erlaubt sei, es wurde nur bemängelt, dass die Nachweise der ausreichenden Sicherheit für den Ersatzstandort aus Sicht des Gerichts nicht erbracht worden seien.

    4. Der VGH verbietet keineswegs die Montagsdemonstration vor dem Hauptbahnhof, wie im Blog fälschlich geschrieben steht, sondern erlaubt der Stadt Stuttgart, für die Demonstration einen Alternativstandort auszuweisen.

    5. Sowohl das Stuttgarter als auch das Mannheimer Gericht sehen völlig zu recht bei strenger Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit in den Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs und des ÖPNVs durch die Demonstration einen gerechtfertigten Grund, die Demonstration auf dem Arnulf-Klett-Platz zu untersagen. Der VGH stellt damit die Grundrechte der Verkehrsteilnehmer neben die Grundrechte der Demonstranten, wobei er nach der 200ten Demonstration am gleichen Ort mit dem gleichen Grund richtigerweise dem Grundrecht der Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Grundrecht der Demonstranten Priorität einräumt, zumal das Recht zu demonstrieren nicht eingeschränkt wurde, lediglich der Ort für die Demonstration wurde geringfügig verlegt.

    Es darf einfach nicht sein, dass das „Recht“ auf über hundertfaches ungestörtes Blockieren von Straßen und Bushaltestellen höher eingestuft wird, als das Grundrecht der restlichen Bevölkerungsmehrheit, öffentliche Verkehrswege und öffentliche Verkehrsmittel frei zu benutzen.

    In diesem Sinne, fröhliches Demonstrieren in der Lautenschlagerstraße. Von dort ist der Bonatz-Bahnhof ja auch zu sehen.

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  3. Roter Großvater

    Oh heiligs Blechle – lieber Gott loss Hirn ra regne… Aber grad deshalb, dass so ein Stuss auch weiterhin unbehindert in die Welt gesetezt und verbreitet werden darf und kann, muss das Grundgesetz – muss die Meinungsfreiheit und das Demonstrations- und Streikrecht von uns Bürgern verteidigt werden. Und zwar überall – ob im Betrieb oder auf der Straße – es darf keine demokratiefreie Zonen in diesem unserem Lande geben! Danke Andrè für deine Courage und deinen Kampf gegen einen drohenden Nachwächterstaat! – Bei dieser Geglenheit auch schöne Grüße an den sicher wieder mitlesenden Blogg – Wart!

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