„D-Day“-Stuttgart – Teil 1 verlief ruhig

Seit meinem letzten Artikel Stadt Stuttgart verhängt erste “No-Go-Area” ist viel passiert. Der Widerstand gegen das millliardengrab Stuttgart 21 ist wieder aus seiner kurzfristigen Erstarrung nach der sogenannten Volksabstimmung erwacht und mit neuer Stärke präsent!
Kurzfristig wurde den Mietern in der ehemaligen Eisenbahndirektion gekündigt.
Die Polizei und die Deutsche Bahn AG mußten ihre Pläne Südflügel und Park in einem Aufwisch zu erobern ad acta legen. Zum einen wegen des VGH-Urteiles das die Rechtswidrigkeit des GWMs bestätigte und zum anderen wurde es der Polizeiführung zu heiß (StZ-Interview Züfle) eine Baustelle zu schützen die rechtlich nicht genehmigt ist da immer noch vom Eisenbahnbundesamt (Eba) das Fällverbot gilt das es am 5. Oktober 2010 verhängt hatte.

So entschied man sich also ein „D-Day“-Light zu machen und im ersten Schritt nur den Südflügel abzusperren und den Park erst nach rechtlicher Klärung in Angriff zu nehmen. Dabei drängt aber die Zeit wegen der bald beginnenden Vegetationsperiode.

Es war klar das bei diesem Einsatz der Polizei absolut kein noch so kleiner Fehler unterlaufen dürfe. Bei der kleinsten Panne während des Einsatzes würde dieser sofort mit dem Schwarzen Donnerstag in Verbindung gebracht werden. Dies galt es mit aller Kraft zu unterbinden.

So wurde also noch im Dezember 2011 begonnen umzuplanen. Man wollte jede nur denkbare Eventualität von vornherein ausschließen. So wurde am Übergang vom Bahnhofsturm zum Dach des Südflügels beispielsweise Nato-Draht gelegt um ein Entern des Daches Seitens der Gegner zu erschweren. Das ganze Bahnhofsgelände, als auch Grundwassermanagement und Park wurde nun offiziell polizeilich Videoüberwacht. Über Wochen wurden immer mehr Einsatzkräfte der zuständigen Bundespolizei (weil Bahngelände) „unmerklich“ in die Umgebung Stuttgarts zusammen gezogen. Die sichtbare Polizeipräsenz am Bahnhof wurde auch erhöht um klar zu machen das der Südflügel nicht von den Gegnern zu besetzen sei. Dafür wurden auch Mannschaften in den Südflügel sowie in das Gebäude neben dem Stellwerk an Gleis 16 verlegt.
Als Planungszentrum, Küche und weiteres Aufenthaltsquartier wurde das alte, seit Jahren leer stehende, Gebäude des Milchhofs wieder aktiviert. Hier wurde der Einsatz der Bundespolizei geplant und koordiniert sowie die Verpflegung organisiert.

Alles in allem hat man versucht möglichst unauffällig und ohne Hektik den gesamten Einsatz minutiös vorzubereiten.

Natürlich blieb das so „unauffällige“ Aufrüsten der Polizei den Gegnern nicht verborgen. Im Gegenteil, sie waren eigentlich zu jedem Zeitpunkt ziemlich gut über die Lage und die Mannschaften informiert. Die einzig große Unbekannte war ab welchem Zeitpunkt für die Polizei ihre Vorbereitungen als ausreichend eingeschätzt würden.
Ein Donnerstag kam eigentlich nicht in Frage da man unbedingt die Verbindung zum Schwarzen Donnerstag vermeiden wollte.
Da aber die Vorbereitungen nahezu fertig waren und die Gegner schon zu gut über die Lage informiert waren mußte man notgedrungen den Einsatz auf den Freitag den 13. legen. Dies war für die Polizeistrategen wohl das kleinere Übel zwischen Schwarzer Donnerstag 2 und einem Wochenende, an dem vermutlich noch viel mehr Gegner bei einer Polizeiaktion zu erwarten gewesen wären.

So kam es dann tatsächlich das schon im Laufe des Donnerstages immer mehr Einheiten in die City verlegt wurden, man hektisches Treiben und kleine Besprechungen im und am Bahnhof bei der Polizei beobachten konnte. Auch lagen den Gegnern Informationen über einen Einsatzbefehl für die Nacht von Donnerstag auf Freitag, zwischen 3 und 5 Uhr vor.
An diesem Tag bereiteten sich also Polizei und Gegner jeweils auf ihre Weise vor. Während die Polizei im Milchhof ihre Feldküchen anheizte feierten immer mehr Gegner am Südflügel ein tolles Fest zu Ehren des Südflügels.

Das der Polizeipräsident Züfle Kriegserfahren ist, sah man dann in der Ausführung des Einsatzes. Die Presse mußte sich im Vorfeld um einen Platz auf „dem Schlachtfeld“ bewerben. Grundsätzlich durften dies aber nur Medienvertreter der Landespressekonferenz, also natürlich nicht FlügelTV oder cams21. »Embedded journalists« nennt man dies in Kriegsgebieten.
Der Einsatz begann ebenso mit einer typischen Kriegstaktik, nämlich dem vortäuschen. Züfle wußte ja das der Park die heilige Kuh der Gegner ist. Daher ließ er einige Einheiten kurz vor drei Uhr Morgens in den Park einmarschieren. Um das marzalische zu unterstreichen waren dort die Bayerischen Kollegen der USK-Einheit eingesetzt. Diese Kriegstaktik hatte durchaus einen gewissen Erfolg erzielt. Tatsächlich sind einige vom Südflügel in den Park gerannt um dort das Zeltlager und die Bäume zu beschützen. Doch gleich war eigentlich klar das dies nur ein Ablenkungsmanöver war.

Kurz darauf liefen Mannschaften von beiden Seiten der Straße am Schloßgarten auf und umstellten die Gegner vor dem Südflügel. Der Zugang vom Park wurde sofort abgesperrt. Damit waren zu Beginn des Einsatzes schon einmal eine kleine Anzahl Gegner aus dem „Schußfeld“.

Ich selbst konnte leider nicht vor Ort sein da ich im Bayerischen Ansbach eine Schulung halten mußte. Doch in dieser Nacht hatte ich trotzdem keinen Schlaf und verfolgte den Einsatz vom Bett aus.
Deshalb kann ich hier auch nur grob vom Einsatz berichten und werde dies auch nicht ausführlich tun.

Der Einsatz lief sehr besonnen ab. Lange Zeit stand die Polizei nur da und demonstrierte ihre Überzahl. Damit während der geplanten Räumung der Blockade nichts schief ging wurde alles sehr genau gemacht. Die eingebettete Presse konnte sich annähernd frei bewegen, auch cams21 wurde nicht gehindert live zu übertragen. Die Räumungsaufforderungen wurden von einem Moderator professionell freundlich und ruhig verlesen, zusätzlich lief ein Schriftband mit der Aufforderung den Platz zu verlassen am Lautsprecherwagen der Polizei falls man die Durchsagen nicht hören sollte. Desweiteren spannte man aus dem Südflügel ein großes Transparent mit der Aufforderung und dem Hinweis mit der Richtung Südausgang auf.

Vor dem Südausgang wurde dann der freie Ausgang für Blockierer mit zwei Beleuchteten Elementen gekennzeichnet. Es wurde regelmäßig darauf hingewiesen das man die Polizeiabsperrung jederzeit frei verlassen könne.
Die Billanz gegen 5 Uhr Morgens: Etwa 2000 Polizisten im Einsatz gegen rund 600 Demonstranten. Zwei Gegner hatten angeblich Pfefferspray dabei, zwei Frauen ketteten sich an ein Fenstergitter und wurden mit Metallsägen losgemacht. 27 Gegner wurden weggetragen, 79 mussten ihre Personalien angeben und 2 Gegner wurden in die Gefangenensammelstelle am Wasen gebracht.
Im Vergleich: Am 14.1. bei einer Demo gegen Nazis in Magdeburg lies die Polizei für 10000 Demonstranten auch 20000 Polizisten aufmarschieren.
Leider hatten nur die Bundespolizisten aus dem Hessischen Hünfeld auf ihren Jacken eine persönliche Kennzeichnung. Immerhin ein Anfang!
Die Polizisten der anderen Einheiten (Deggendorf, USK, Böblingen etc.) sind da noch rückständig. Hier sollten endlich alle Länder und der Bund eine Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten generell gesetzlich beschließen! Wer nach Vorschrift handelt, sollte damit auch kein Problem haben.

So ist es nicht verwunderlich das das Medienecho nach dem Einsatz mehrheitlich von einem friedlichen und gelungenen Einsatz am Südflügel spricht.

Lediglich die Stuttgarter Zeitung hatte sich mal wieder vor Dummheit übertrumpft. Weil sie es nicht erwarten konnte und unbedingt einen Aufmacher zur Räumung schon Freitag in der Zeitung haben wollte erschien in den ersten Ausgaben gleich nach Andruck gegen 22 Uhr schon die Meldung das die Blockierer um 24 Uhr geräumt wurden. Peinlich das diese Meldung dann in der Blockade, als noch nicht mal begonnen wurde zu räumen, verlesen wurde.

Mittlerweile wurde der Südflügel von Bahnhofsseite (Gleis 16) und Straßenseite analog dem Grundwassermanagement eingezäunt.
Nun soll in etwa 2 Wochen mit dem Abbruch begonnen werden und der Südflügel bis Ostern komplett abgetragen worden sein.
Auch dabei wird die Polizei mit den Gegnern rechnen müßen!

Und vor allem darf man nicht vergessen: „D-Day“-Light – Teil 2 steht vermutlich auch noch an! Da geht es dann um unwiederbringliche Eingriffe in den Schloßgarten, um die Fällung Jahrhunderte alter Bäume!

Es bleibt spannend in Stuttgart! Oben Bleiben!

(S/W Bilder: Thomas Igler | Handybilder: Andre)

2 Gedanken zu „„D-Day“-Stuttgart – Teil 1 verlief ruhig

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